Vier handschriftliche Testamente
Die Erblasserin verstarb ledig und kinderlos. Sie hatte zwei Geschwister: eine Schwester und einen Bruder, die beide bereits vorverstorben waren. Insgesamt hinterließ die Erblasserin vier handschriftlich verfasste Testamente.
Im ersten Testament aus 2007 setzte sie ihre Schwester als Alleinerbin und ihren Bruder als Ersatzerben ein. Dieses Testament änderte sie 2009 mittels Durchstreichens derart, dass die Ersatzerbenstellung des Bruders aufgehoben wurde mit der Bemerkung, dass er gestorben sei. Im darauffolgenden Testament aus 2009 setzte sie erneut ihre Schwester als Alleinerbin ein. Später ergänzte sie den Text mit folgendem unvollständigen Wortlaut: „Für den Fall, dass meine Schwester das Erbe nicht antreten kann, setze ich meine Großnichte als“. Im dritten Testament aus 2009 setzte sie erneut ihre Schwester als Alleinerbin ein. Weiter heißt es in dem Testament: „Für den Fall, dass meine Schwester verstorben ist, setze ich zur Nacherbin meine Großnichte ein.“ Schließlich testierte sie am 27.12.2016 erneut und setzte wiederum ihre Schwester als Alleinerbin ein. In diesem Testament wurde weder eine Ersatzerbschaft noch eine Nacherbschaft angeordnet und die Großnichte wurde nicht mehr erwähnt.
Die Großnichte beantragte einen Alleinerbschein. Dem traten die Kinder des vorverstorbenen Bruders entgegen. Das Nachlassgericht wies den Antrag mit der Begründung zurück, die Erblasserin habe mit ihrer letzten Verfügung von Todes wegen die vorangegangenen Testamente aufgehoben. Der gegen diesen Beschluss durch die Großnichte eingelegten Beschwerde hat das Nachlassgericht nicht abgeholfen und die Akten dem OLG Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat die Beschwerde zurückgewiesen.
Entscheidung des Oberlandesgerichts
Die Großnichte könnte ihre Alleinerbenstellung allein aus dem Testament 2009 herleiten. Diese Stellung sei indes von der Erblasserin vollständig aufgehoben worden, als sie am 27.4.2016 ein neues Testament errichtet habe, in dem die Großnichte nicht mehr als Ersatzerbin berufen sei.
Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 2258 Abs. 1 BGB) werde durch die Errichtung eines Testaments ein früheres Testament insoweit aufgehoben, als dass das spätere Testament mit dem früheren in Widerspruch stehe. Ein derartiger Widerspruch liege zum einen vor, wenn die Testamente sachlich miteinander nicht vereinbar seien, die getroffenen Anordnungen also nicht nebeneinander Geltung erlangen könnten, sondern sich gegenseitig ausschließen. Ein Widerspruch sei zum anderen (auch) gegeben, wenn die einzelnen Anordnungen einander zwar nicht entgegengesetzt seien, aber die kumulative Geltung der mehreren Verfügungen den in einem späteren Testament zum Ausdruck kommenden Absichten des Erblassers zuwiderliefe. Das sei der Fall, wenn der Erblasser mit dem späteren Testament seine Erbfolge insgesamt, nämlich abschließend und umfassend (ausschließlich) habe neu regeln wollen. So liege der Fall hier.
Fundstelle
OLG Düsseldorf 19.12.23, I-3 Wx 189/23