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Steuerermäßigung bei der Erbschaftsteuer wegen Mehrfacherwerbs desselben Vermögens

Das Erbschaftsteuergesetz definiert mit § § 27 Abs. 1 ErbStG eine Steuerermäßigung bei der Berechnung der Erbschaftsteuer, wenn ein Vermögen, das in den letzten zehn Jahren vor dem Erwerb bereits von Personen der Steuerklasse I erworben worden ist und für das nach diesem Gesetz eine Steuer zu erheben war, bei Personen dieser Steuerklasse von Todes wegen anfällt. Fraglich ist, ob auch eine innerhalb der EU angefalleneErbschaftsteuer für einen Vorerwerb insoweit zu berücksichtigen ist.

 

Sachverhalt und Entscheidung  

Streitig ist die Anwendbarkeit des § 27 ErbStG bei einem in Österreich besteuerten Vorerwerb. M hatte zusammen mit ihrer Tochter (T) bis zu deren Ableben am 29.10.2004 in Österreich gewohnt und danach ihren Wohnsitz nach Deutschland verlegt. Sie war Miterbin der Tochter. Der Nachlass der Tochter wurde von dem nach österreichischem Recht eingesetzten Gerichtskommissär erst nach dem Tod der Mutter verteilt. Der Kläger erhielt als Erbe der M deren Anteil am Nachlass der T.

Für den der M zuzurechnenden Erwerb vom Oktober 2004 wurde in ÖsterreichErbschaftsteuer in Höhe von rund 12 TEUR EUR festgesetzt und vom Kläger bezahlt. T machte in der Erbschaftsteuererklärung für ihren Erwerb nach M im Januar 2007 die österreichische Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit geltend und beantragte wegen des mehrfachen Erwerbs desselben Vermögens durch Personen der Steuerklasse I eine Steuerermäßigung nach § 27 ErbStG. Finanzamt und Finanzgericht der ersten Instanz gehen davon aus, dass § 27 ErbStG nur dann anwendbar ist, wenn der vorherige Erbfall dem deutschen Erbschaftsteuerrecht unterlegen hat. Einen Verstoß gegen die europarechtlich gewährleistete Kapitalverkehrsfreiheit sehen sie hierin nicht.

 

Der BFH erhebt hinsichtlich des möglichen Verstoßes gegen die europarechtlich gewährleistete Kapitalverkehrsfreiheit Zweifel. Die Steuerermäßigung setzt nach dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 ErbStG voraus, dass bei einem mehrfachen Erwerb desselben Vermögens für den früheren Vermögensanfall „nach diesem Gesetz” eine Steuer zu erheben war. Die Ermäßigung erfasst damit nach ihrem Wortlaut nur Fälle, in denen für den Vorerwerb Erbschaftsteuer nach dem in Deutschland geltenden ErbStG festzusetzen war. Sie ist nicht zu gewähren, wenn für den Vorerwerb eine Erbschaftsteuer nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats erhoben wurde. Eine ausländische Steuer ist im Sinne des § 27 Abs. 1 ErbStG keine Steuer „nach diesem Gesetz”. Der BFH legte dem EuGH nunmehr folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:

 

Steht die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 65 AEUV der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, die bei einem Erwerb von Todes wegen durch Personen einer bestimmten Steuerklasse eine Ermäßigung der Erbschaftsteuer vorsieht, wenn der Nachlass Vermögen enthält, das in den letzten zehn Jahren vor dem Erwerb bereits von Personen dieser Steuerklasse erworben worden ist, und für diesen VorerwerbErbschaftsteuer in dem Mitgliedstaat festgesetzt wurde, während eine Steuerermäßigung ausscheidet, wenn für den Vorerwerb Erbschaftsteuer in einem anderen Mitgliedstaat erhoben wurde?

 

Erläuterungen 

Der EuGH muss nunmehr darüber entscheiden, ob eine Erbschaft im Falle des Klägers ein Vorgang ist, der unter den Kapitalverkehr im Sinne des Art. 63 Abs. 1 AEUV fällt, weil sie Auslandsvermögen enthält und dieses Auslandsvermögen aufgrund des vorhergehenden Erwerbs der Erblasserin durch die in einem anderen Mitgliedstaat zu entrichtende Erbschaftsteuer belastet war. Nach der Rechtsprechung des EuGH handelt es sich bei Erbschaften, mit denen das Vermögen eines Erblassers auf eine oder mehrere Personen übergeht, um Kapitalverkehr. Danach könnte eine durch Art. 63 Abs. 1 AEUV grundsätzlich verbotene Beschränkung des freien Kapitalverkehrs vorliegen, wenn die Gewährung von Steuervergünstigungen auf dem Gebiet der Erbschaftsteuer davon abhängig gemacht wird, dass der von Todes wegen erworbene Vermögensgegenstand im Inland belegen ist. Bei Annahme einer Beschränkung ist vom EuGH u.a. zu klären, ob eine nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV erlaubte Ungleichbehandlunge oder eine nach Art. 65 Abs. 3 AEUV verbotene willkürliche Diskriminierunge vorliegt. Sollte der EuGH einen Verstoß gegen Art 56 AEUV annehmen, stellt sich die in praktischer Hinsicht bedeutsame Folgefrage, ob ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit auch bei Vorerwerben in Drittstaaten eintritt. Denn die Grundfreiheit der Kapitalverkehrsfreiheit gilt grundsätzlich auch im Verhältnis zu Drittstaaten. Der EuGH hatte lediglich entschieden, dass die Regelung eines Mitgliedstaats, wonach bei der Berechnung der Erbschaftsteuer die Anwendung bestimmter Steuervergünstigungen auf einen Nachlass in Form der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in einem Drittstaat ausgeschlossen ist, während diese Vergünstigungen beim Erwerb einer solchen Beteiligung von Todes wegen gewährt werden, wenn sich der Sitz der Gesellschaft in einem Mitgliedstaat befindet, vorwiegend die Ausübung der Niederlassungsfreiheit im Sinne der Art. 49 ff. AEUV berührt, sofern die genannte Beteiligung es ihrem Inhaber ermöglicht, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der betreffenden Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen. Insoweit sei die Kapitalverkehrsfreiheit verdrängt. Ob die Kapitalverkehrsfreiheit im Besprechungsfall ebenfalls verdrängt wird, ist dagegen fraglich.

 

Fundstelle

BFH vom 20.01.2015

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