Luisenstraße 32
53129 Bonn
Tel.: (0228) 91 17 30

Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes

Steuerberater und Rechtsanwälte, die im Bereich des Erbrechts und der Erbschaftsteuer beratend tätig sind, haben in der Vergangenheit vielfältige Gestaltungen zugunsten der Mandanten vor dem Hintergrund umsetzen können, dass Betriebsvermögen im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht unter bestimmten Bedingungen von der Besteuerung (weitgehend) freigestellt ist.

Als begünstigtes Betriebsvermögen gelten gewerbliche, land- und forstwirtschaftliche sowie freiberufliche Einzelunternehmen und Personengesellschaften. Beteiligungen an Kapitalgesellschaften sind begünstigt, wenn der Erblasser oder Schenker zu mehr als 25 % unmittelbar beteiligt war oder sich verschiedene Gesellschafter zur Erreichung dieser Beteiligungsquote mit einer Stimmrechtsabrede binden (sog. Poolregelung).

Es waren Zweifel daran aufgekommen, ob diese Verschonung des Betriebsvermögens mit dem verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sei; denn Kapital- und Immobilienvermögen werden in voller Höhe zur Erbschaft- und Schenkungsteuer herangezogen. Dazu hatte das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 17.12.2014 entschieden, zwar sei die Verschonung des Betriebsvermögens im Grundsatz verfassungsgemäß, jedoch seien die folgenden gesetzgeberischen Korrekturen erforderlich:

Gehört zu einem begünstigten Betriebsvermögen auch sog. Verwaltungsvermögen (dazu rechnen z.B. Wertpapiere oder an Dritte überlassene Immobilien), wird es nach dem noch geltenden Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz gleich­wohl zu 85 % von der Besteuerung ausgenommen, wenn das Verwaltungsvermögen nicht mehr als 50 % des Unternehmenswertes ausmacht. Überschreitet das Verwaltungsvermögen die Grenze von 10 % des Unternehmenswertes nicht, ist nach noch geltendem Recht sogar die vollständige Freistellung des Betriebsvermögens erreichbar (dazu muss ein unwiderruflicher Antrag gestellt werden − der Mindest-Fortführungszeit­raum des Betriebes beträgt dann sieben statt fünf Jahre). Dazu hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber die Vorgabe gemacht, die Begünstigung weitestgehend auf produktives Vermögen zu begrenzen, und Verwaltungsvermögen aus der Verschonung auszunehmen.

Ein mit der Begünstigung von Betriebsvermögen verbundenes Ziel ist der Erhalt von Arbeitsplätzen. Bislang müssen aber nur Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten nachweisen, dass sie ihre Lohnsumme über einen Zeitraum von fünf Jahren (bei der Verschonung zu 85 %) oder über einen Zeitraum von sieben Jahren (bei vollständiger Steuerfreistellung) beibehalten. Das Bundesverfassungsgericht hat gefordert, allenfalls Betriebe mit einigen wenigen Beschäftigten von der Lohnsummenregelung auszunehmen.

Die Begünstigungen für Betriebsvermögen gelten bisher unbeachtlich seiner Größe. Hier hatte das Bundesverfassungsgericht verlangt, die Begünstigung für den Erwerb von Großunternehmen unter den Vorbehalt der Durchführung einer Bedürfnisprüfung zu stellen.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Fortgeltung der für gleichheitswidrig erachteten Regelungen des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes bis zu einer gesetzlichen Neuregelung angeordnet. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, diese bis spätestens zum 30.6.2016 vorzunehmen. Vorgesehen sind insofern die folgenden gesetzlichen Änderungen, die sämtlich erst für Erwerbe nach der Verkündung des Änderungsgesetzes gelten sollen (es kann jedoch noch zu Änderungen kommen, weil der Bundesrat Bedenken insbesondere zur vorgesehenen Abgrenzung des nicht begünstigten Vermögens sowie zur Entlastung von Großerwerbern angemeldet hat):

Die Begünstigung des Betriebsvermögens in Gestalt eines Verschonungsabschlages von 85 % (bei verpflichtender Unternehmensfortführung über einen Fünfjahreszeitraum)
oder − auf unwiderruflichen Antrag − von 100 % (bei Verpflichtung zur Unternehmensfortführung über einen Siebenjahreszeitraum) bleibt im Grundsatz unangetastet. Verwaltungsvermögen soll aber nur noch dann in die Steuerverschonung mit einbezogen werden, wenn sein Wert nach Abzug der zuzuordnenden Schulden 10 % des Wertes des Unternehmensvermögens nicht übersteigt. Sofern diese Grenze überschritten wird, ist das Verwaltungsvermögen regulär zu versteuern, während der verbleibende Teil des Betriebsvermögens nach dem bisherigen „Verschonungsregime“ (Freistellung zu 85 % oder zu 100 %) ausgenommen bleibt. − Als nicht begünstigtes Vermögen sollen dabei alle Teile des Betriebsvermögens eingestuft werden, die aus dem Betriebsvermögen herausgelöst werden könnten, ohne die eigentliche gewerbliche, freiberufliche oder land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit zu beeinträchtigen. Zahlungsmittel, Geschäftsguthaben und sonstige Finanzmittel sind − wie bislang − nicht begünstigtes Vermögen, soweit sie nach Abzug der Schulden 20 % des Unternehmenswertes übersteigen.

 

Die Lohnsummenprüfung soll wie folgt ausgeweitet werden:

 Lohnsummen

Als „Ausgangslohnsumme“ ist dabei die durchschnittliche Lohnsumme der letzten fünf vor dem Erwerb des Betriebs endenden Wirtschaftsjahre anzusetzen. Wird die geforderte Lohnsumme nach Ablauf des Fünf- bzw. Siebenjahreszeitraums nicht erreicht, vermindert sich der Verschonungsabschlag in demselben prozentualen Umfang, wie die Mindestlohnsumme unterschritten wird.

Die Regelverschonung von 85 % sowie die auf unwiderruflichen Antrag zu gewährende vollständige Freistellung des Betriebsvermögens sollen ohne weitere Prüfung nur noch bis zu einem begünstigten Erwerb je Erwerber in Höhe von 26 Mio. € oder − bei Einhaltung sehr restriktiver Voraussetzungen − 52 Mio. € gewährt werden. Wird diese Grenze überschritten, soll folgendes Wahlrecht greifen:

  • Der Verschonungsabschlag wird um jeweils einen Prozentpunkt für jede 1,5 Mio. € reduziert, um die der Wert des begünstigten Vermögens 26 Mio. € (resp. 52 Mio. €) übersteigt. Sofern der Wert des begünstigten Vermögens mehr als 116 Mio. € (oder 142 Mio. € bei Anwendung der 52 Mio-€-Grenze) beträgt, wird ein endgültiger Verschonungsabschlag von 20 % bzw. von 35 % (bei unwiderruflichem Antrag verbunden mit der Einhaltung der Begünstigungsvoraussetzungen über einen Siebenjahreszeitraum) gewährt.
  • Alternativ wird die Erbschaft- oder Schenkungsteuer auf einen Erwerb begünstigten Betriebsvermögens jenseits der 26 Mio. €- bzw. 52 Mio. €-Grenze festgesetzt, jedoch auf Antrag erlassen, soweit der Erwerber nachweist, die Steuer nicht aus seinem verfügbaren Vermögen begleichen zu können
    (50 % des durch Erbschaft oder Schenkung übergegangenen sowie 50 % des bereits vorhandenen nicht begünstigten Vermögens). Ein Erlass ist von verschiedenen auflösenden Bedingungen abhängig.

 

Steuerberater Hinweis:

Es steht zu erwarten, dass die 52 Mio. €-Grenze in der Praxis keine erhebliche Rolle spielen wird. Diese soll zur Abgrenzung eines Großerwerbs nämlich nur dann einschlägig sein, wenn es sich bei den Erwerbern um Gesellschafter handelt und der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung Bestimmungen enthält, welche die Entnahme oder Ausschüttung des Gewinns nahezu vollständig beschränken. Darüber hinaus muss die Verfügung über Anteile auf Angehörige beschränkt und für den Fall des Ausscheidens eine Abfindung vorgesehen sein, die erheblich unter dem Verkehrswert des Anteils liegt. Diese Voraussetzungen müssen zehn Jahre vor und 30 Jahre nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer vorliegen.

 

Welche Maßnahmen können ergriffen werden?

Tragen Sie sich mit dem Gedanken der Durchführung einer vorweggenommenen Erbfolge (Schenkung), ist von erheblicher Bedeutung, dass die vorstehenden Gesetzesverschärfungen erst für Erwerbe gelten sollen, die nach der Verkündung des Änderungsgesetzes erfolgen. Weil damit erst zu Beginn des Jahres 2016 gerechnet wird, kann ein Vorziehen der Schenkung in das Jahr 2015 insbesondere dann sinnvoll sein, wenn Gegenstand der Übertragung

(a)   eine begünstigte betriebliche Einheit ist, zu der Verwaltungsvermögen rechnet, ohne dass die bisherige Begünstigungsgrenze überschritten wird (50 % des Unternehmenswertes; 10 % in Fällen der Vollverschonung), oder aber

(b)   von der Nichtanwendbarkeit der Lohnsummenregelung für betriebliche Einheiten mit nicht mehr als 20 Beschäftigten profitiert werden soll, oder aber

(c)    der begünstigte Erwerb die Erwerbsgrenze von 26 Mio. € (resp. 52 Mio. €) überschreitet.

 

Steuerberater Hinweis:

Obzwar nach dem gegenwärtigen Stand nicht von einer rückwirkenden Anwendung der gesetzlichen Neuregelung auszugehen ist, sollte jede Schenkung mit einem Widerrufsvorbehalt für den Fall verbunden sein, dass die steuerlichen Konsequenzen nicht jene sind, die von Gesetzes wegen im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung zugrunde zu legen waren. Wird die Schenkung auf Grund des Widerrufsvorbehalts rückgängig gemacht, erlischt die festgesetzte Steuer.

 

© 2024 Kanzlei Arndt | infokanzlei-arndtcom