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Erbschaftsteuer: Wertermittlung findet auf den Todestag statt

Erstellt der Steuerberater eine Erbschaftsteuererklärung, so hat er den Nachlasswert auf den Todestag zu ermitteln. Dieser Grundsatz ergibt sich aus § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

Fraglich ist, ob eine Rückwirkungsfiktion aufgrund ertragsteuerrechtlicher Vorschriften – wie sie durch § 2 UmwStG zugelassen ist – auch erbschaftsteuerlich zu beachten ist. Dies hatte das FG München aktuell zu entscheiden. Die ertragsteuerliche Rückwirkung, wie sie durch § 2 UmwStG zugelassen ist, lässt nach Meinung des FG die Anwendung des § 11 ErbStG unberührt. Die Frage, welches Vermögen zum Nachlass eines Erblassers gehörte bzw. was Gegenstand einer unentgeltlichen Zuwendung war, beurteilt sich ausschließlich nach zivil- bzw. erbschaftsteuerrechtlich maßgeblichen Verhältnissen zum Bewertungsstichtag.

 

Sachverhalt

Der Kläger war alleiniger Kommanditist der „A GmbH & Co. KG“. Sein Vater war alleiniger Kommanditist der „B GmbH & Co. KG“.

Die A GmbH & Co. KG übertrug ihr Vermögen als Ganzes unter Auflösung ohne Abwicklung im Wege der Aufnahme auf die übernehmende Gesellschaft (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Die Eintragung der Verschmelzung ins Handelsregister erfolgte am 30.7.2013. Der Vater des Klägers war bereits am 5.6.2013 verstorben. Der Kläger war Alleinerbe.

Der Kläger vertrat die Ansicht, dass Gegenstand der Feststellung zum Todestag des Vaters die Gesellschaftsanteile sind, die ihm nach der notariell beurkundeten Verschmelzung mit Rückwirkung auf den 1.1.2013 zuzurechnen seien. Zur Begründung berief sich der Kläger auf die steuerliche Rückwirkungsfiktion des § 2 UmwStG.

 

Entscheidung des FG

Das FG wies die Klage ab. Am Todestag sei die A GmbH & Co. KG noch nicht auf die B GmbH & Co. KG verschmolzen gewesen. Die hierfür erforderliche Eintragung ins Handelsregister erfolgte erst am 30.7.2013. Damit war Gegenstand des Erwerbs des Klägers von Todes wegen der Anteil seines Vaters an der B GmbH & Co. KG vor der Verschmelzung.

Nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit des bürgerlichen Rechts für das Erbschaftsteuerrecht sei die ertragsteuerliche Beurteilung für die erbschaftsteuerliche Beurteilung ohne Bedeutung. Es komme für die Erbschaftsteuer allein auf die zivilrechtliche Rechtslage an.

Auch eine ertragsteuerliche Rückwirkung, wie sie durch § 2 UmwStG (bzw. § 20 Abs. 5 UmwStG) zugelassen ist, lasse die Anwendung des § 11 ErbStG unberührt. Denn die Frage, welches Vermögen zum Nachlass eines Erblassers gehörte bzw. was Gegenstand einer unentgeltlichen Zuwendung sei, beurteile sich ausschließlich nach zivil- bzw. erbschaftsteuerrechtlich maßgeblichen Verhältnissen zum Bewertungsstichtag.

Das BMF-Schreiben v. 11.11.2011 (sog. Umwandlungssteuererlass, unter Rz. 01.01) bestimme, dass die Vorschriften des UmwStG ausschließlich die steuerlichen Folgen von Umwandlungen und Einbringungen für die Körperschaft-, Einkommen- und Gewerbesteuer regeln. Sie gelten nicht für andere Steuerarten (z. B. die Umsatz-, die Grunderwerb- oder die Erbschaftsteuer).

Überdies und unabhängig hiervon wäre die Rückwirkungsfiktion des § 2 UmwStG auf Einbringungen gemäß § 24 UmwStG nicht anwendbar. Denn die Regelungen des § 2 UmwStG zur Rückwirkung einer Umwandlung gelten nur für die im zweiten bis fünften Teil des UmwStG behandelten Umwandlungen, nicht für die Einbringungen.

Die dem streitigen Feststellungsbescheid vom FA zugrunde gelegte Rechtsauffassung entspreche auch der Rechtsprechung des BFH vom 4.7.1984, II R 73/81.

 

Erläuterungen

Da der Entstehungszeitpunkt die Steuerschuld dem Grunde und der Höhe nach fixiert, sind sämtliche für die Steuerberechnung bedeutsamen Merkmale aus der Sicht des Stichtags zu beurteilen (Stichtagsprinzip), soweit das Gesetz nicht ausnahmsweise nachträglich getroffenen Entscheidungen des Steuerpflichtigen Einfluss auf die Steuerberechnung beimisst. Eine derartige Regelung fehlt hier für das ErbStG.

Der Stichtag hat insbesondere Bedeutung für

  • die Merkmale der persönlichen Steuerpflicht (§ 2 ErbStG),
  • die Wertermittlung (§ 11 ErbStG),
  • die Steuerklasse (§ 15 ErbStG),
  • die Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer (§ 21 ErbStG),
  • die Steuerermäßigung bei mehrfachem Erwerb desselben Vermögens (§ 27 ErbStG) und
  • für die Übergangsregelungen beim Wechsel gesetzlicher Bestimmungen (§ 37 ErbStG).

Die Revision ist beim BFH anhängig.

 

Fundstelle

FG München 26.2.20, 15 K 2779/18, Rev. BFH II R 6/20

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